NOVEMBER BLUES
Wenn die Nebel ins Land ziehen hat der nasskalte Herbst die Oberhand gewonnen und die Tage, wo uns die Natur ihre leuchtenden Farben gezeigt hat, sind endgültig vorbei. Es ist die Zeit, wo wir unserer Liebsten, die von uns gegangen sind, mehr denn je gedenken. Wir fahren auf den Friedhof und schmücken ihre Gräber.
Am 30. Oktober heurigen Jahres zeigte die Sonne nochmal ihre ganze Kraft und ein Spaziergang am Zentralfriedhof kann ja auch sehr schön sein. Ich wollte auch unbedingt einmal zwischen den Gräbern des alten jüdischen Friedhofs spazieren.
Als Claudia und ich beim zweiten Tor ankamen, sahen wir einen Fiaker stehen. Fiaker fahren mittlerweile ja nicht nur in der Stadt, auch in Schönbrunn sind einige unterwegs, was ich positiv für die Pferde empfinde. Dass am Zentralfriedhof auch Fiaker fahren, das war mir neu.
Der Fahrer kam gerade mit zwei vollen Kübeln Wasser für die Pferde zurück und so entschieden wir uns spontan eine Rundfahrt zu machen. Ich wollte ja immer schon mal mit dem Fiaker fahren, nur eben nicht in der Stadt. Wir hüllten uns in die warmen Decken, die bereit lagen, und los gings.
Der Zentralfriedhof ist mit seinen 2,5 km² annähernd so groß wie Monaco. Zu Fuß kann man so ein großes Areal gar nicht an einem Nachmittag erfassen. Was mich sehr beeindruckte, der Kutscher war deutscher Herkunft, die Liebe zum Fiakerfahren hat ihn nach Wien geführt und er wusste mehr zu erzählen, als ich, wo ich doch in dieser Stadt beheimatet bin.
Es gibt hier auch einen Park der Ruhe und Kraft unter anderem mit einem Steinkreis.
Der Trauernde soll hier meditativ sein Leid verarbeiten können.
Diese Fahrt war ein Erlebnis der besonderen Art, die Kutsche, die Erzählungen, Menschen winkten uns unterwegs zu und der Respekt vor den Toten war all gegenwärtig.
Nach der Fahrt mussten wir uns erst mal stärken. Gleich beim Tor war ein Restaurant und wir wärmten uns mit einer guten Melange. Danach spazierten wir zum alten jüdischen Friedhof.
Diese alten Gräber beeindruckten mich sehr. Das verwilderte Gras rundherum und das Blinzeln der Sonnenstrahlen, die sich zwischen den alten Steinen einen Weg suchten, gab dieser Stätte ein unheimliches Flair.
Beeindruckt von diesem Nachmittag fuhren wir heim. Zu Hause zündete ich eine Kerze an, hüllte mich auf meiner Couch in eine Decke, um mit einer Tasse Tee in Gedanken bei meinen Liebsten zu sein, die ich bereits verloren hatte und für immer in meinem Herzen trage!
Die trüben Tage, die Novemberstimmung und das Gedenken unserer Toten regte uns noch zu einem weiteren Friedhofbesuch an und zwar dem Friedhof der Namenlosen.
Auch an diesem Samstag im November zeigte sich die Sonne ein bisschen. Wir nahmen die U3 bis Enkplatz und fuhren dann mit dem Bus 76 A bis zur Endstelle Albener Hafen von dort geht rechterhand ein Weg ab, der direkt zum Friedhof der Namenlosen führt.
(Achtung ! Bus fährt am Wochenende im 30 Minuten Takt und unter der Woche zwischen 13:00 und 17:00 alle 20 Minuten ).
Ein stiller, kleiner Ort, wo die unbekannten Opfer der Donau von 1900 bis 1940 begraben sind. Bei manchen wurde die Identität nachträglich geklärt. Etwas triste, da er direkt im Hafengebiet liegt und daneben gleich ein großer Betonsilo ragt, aber liebevoll angelegt und gepflegt. Es handelt sich hier um den zweiten Teil dieses Friedhofes.
1840 entstand der erste Friedhof, der noch über dem Damm nahe am Wasser lag und immer wieder überschwemmt wurde.
Im Zuge von Erweiterungen des Hafengebietes und des Hochwasserschutzes wurde dieser Teil des Friedhofes im Winter 2012/2013 gerodet und planiert.
Dem Simmeringer Bezirksvorsteher Albin Hirsch ist es zu verdanken, dass im Jahre 1900 unter freiwilliger Mitwirkung von Simmeringer Handwerkern hinter dem Hochwasserschutzdamm auf einem Waldstück, das die Gemeinde Albern von der Stadt Wien gegen einen Anerkennungszins gepachtet hatte, ein zweiter Friedhof angelegt wurde, der bis heute gepflegt wird und zugänglich ist.
Wir spazierten den Weg retour, vorbei an den Silos und an der Hafenkneipe und dann entlang der Albener Hafenzufahrtsstraße, aber eigentlich wollten wir zur Simmeringer Lände, da hätten wir allerdings gleich hinter den Silos die 2. Molostraße nehmen müssen.
So standen wir auf der Albener Hafenzufahrtsstraße mit dem Plan in der Hand, als ein Motorradfahrer neben uns stehen blieb mit der Frage: „Kann ich ihnen helfen?“
Der freundliche Herr wies uns den Weg und um abzukürzen kletterten wir über Eisenbahnschienen, die entlang der Albener Hafenzufahrtsstraße verlaufen, danach waren wir schon richtig, denn dieser Weg mündet nach einem kurzen Stück in die Simmeringer Lände.
Hier brachte die Sonne das restliche Laub der Bäume zum Leuchten und stimmte uns wieder heiter.
So haben wir diesen Teil von Wien auch kennen gelernt, hier sagen sich die Füchse Gute Nacht, aber dafür sind wir jeder Demonstration entgangen. 😊
(c) Fotos Claudia Thonhauser und Angelika Högn
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